Anfassen erwünscht: Auf dem Außengelände der Festung Königstein.

Barrierefreie Museen

Geschichte für Alle

Die Begegnung mit der Geschichte kann bedrückend oder erhebend, vertiefend oder überraschend, befremdend oder ergreifend sein. Eine intellektuelle Bereicherung ist sie in jedem Fall. Darum sollte es keine Frage der körperlichen Verfassung sein, ob es möglich ist, die großen geschichtlichen Bewegungen Europas und der Welt an Originalschauplätzen zu verstehen.

Aus diesem Grund bauen Museen Barrieren ab und schaffen besondere Angebote für Menschen mit Beeinträchtigungen. Fünf barrierefreie Museen zeigen, dass niemand auf spannende Ausflüge in die Vergangenheit verzichten muss – nur weil er einen Kinderwagen schiebt, im Rollstuhl sitzt, nicht gut sieht oder hört.

Vogelsang IP im Nationalpark Eifel

Vogelsang IP, einst Schulungsstätte des Nationalsozialismus, ist heute Ausstellungs- und Bildungszentrum.

Vogelsang IP, einst Schulungsstätte des Nationalsozialismus, ist heute Ausstellungs- und Bildungszentrum. © Vogelsang IP

Eine gigantische Kaderschmiede für den NSDAP-Nachwuchs sollte sie werden, die 100 Hektar große ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang in der Eifel. Etwa drei Jahre diente die monumentale Anlage diesem Zweck. Nach dem Krieg wurde sie über Jahrzehnte vom belgischen Militär genutzt. Heute ist dieser Teil der Eifel ein Nationalpark und Vogelsang ein wichtiger Gedächtnisort zum Nationalsozialismus. Beides, Nationalpark und Nationalsozialismus, wird hier thematisiert. Unter dem Namen „Vogelsang IP | Internationaler Platz“ entsteht ein facettenreiches Ausstellungs-, Kultur- und Bildungszentrum.

Die Dauerausstellung „Bestimmung: Herrenmensch“ der NS-Dokumentation Vogelsang widmet sich der Geschichte des Ortes.

Die Dauerausstellung „Bestimmung: Herrenmensch“ der NS-Dokumentation Vogelsang widmet sich der Geschichte des Ortes. © Vogelsang IP

Die Dauerausstellung „Bestimmung: Herrenmensch“ beschäftigt sich mit der kurzen Geschichte der NS-Ordensburgen und ihrem ideologischen Kontext. Dem schweren Thema setzt die Erlebnisausstellung „Wildnis(t)räume“ die Begegnung mit der reichen Flora und Fauna im Nationalpark Eifel entgegen.

Beide Ausstellungen sind nach „Reisen für Alle“ zertifiziert und bieten Bodenleitsysteme, Tastmodelle, Braille- und Tastbeschriftung, Audio- und Video-Guides sowie rollstuhlgerechte Rampen und Aufzüge. Im Besucherzentrum steht ein Leihrollstuhl bereit. Die Referenten der täglichen Führungen gehen auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Teilnehmer ein. Auch Führungen mit Gebärdendolmetscher sind möglich.


Dommuseum Ottonianum in Magdeburg

Das Dommuseum „Ottonianum“ entführt in die Zeit Kaiser Ottos des Großen.

Das Dommuseum „Ottonianum“ entführt in die Zeit Kaiser Ottos des Großen. © Magdeburg Marketing, Foto: Andreas Lander

Vor etwa 1000 Jahren war Magdeburg der Nabel der Welt – zumindest des christlichen Abendlandes. Otto der Große, der erste Kaiser des Heiligen Römischen Reiches erhob Magdeburg zum Erzbistum und machte es damit zu einer der bedeutendsten europäischen Metropolen. Beeindruckendstes Zeugnis aus dieser Zeit ist der Magdeburger Dom, der erste gotische Kathedralbau auf deutschem Boden. Das neue Dommuseum „Ottonianum“ entführt in diese ferne und faszinierende Zeit einer europäischen Hochkultur.

Auf 650 Quadratmetern Ausstellungsfläche beleuchtet es drei Themen des Mittelalters: Kaiser Otto der Große und Königin Editha, das Erzbistum Magdeburg sowie die archäologischen Forschungen um den Dom. Zu den sehenswerten Ausstellungsobjekten gehören der Bleisarg Edithas, kostbare Beigaben aus den Gräbern der Erzbischöfe sowie antike Bauteile der ottonischen Bauten am Domplatz.

Mit einem Audioguide erkunden Besucher das Dommuseum „Ottonianum“ individuell.

Mit einem Audioguide erkunden Besucher das Dommuseum „Ottonianum“ individuell. © Magdeburg Marketing, Foto: Andreas Lander

Das Museum ist stufenlos zugänglich und alle Räume sind mit dem Rollstuhl befahrbar. Im Museumscafé gibt es unterfahrbare Tische. Führungen für Rollstuhlfahrer, blinde Menschen, Menschen mit Geh-, Seh- sowie Hörbehinderungen und kognitiven Beeinträchtigungen sind auf Anfrage möglich. Ein Audioguide, der Besucher individuell durch die Ausstellung führt, kann ausgeliehen werden.


Festung Königstein in der Sächsischen Schweiz

Die Festung Königstein ist für Rollstuhlfahrer über einen Aufzug zu erreichen.

Die Festung Königstein ist für Rollstuhlfahrer über einen Aufzug zu erreichen. © Sylvio Dittrich

Hoch oben auf einem Tafelberg in der Sächsischen Schweiz bei Dresden thront die imposante Festung Königstein. Es ist ein Ensemble mit mehr als 800 Jahren Geschichte und mehr als 50 Bauwerken von Mittelalter bis Barock. Besuchern bietet sich von verschiedenen Aussichtspunkten auf dem Plateau ein weiter Blick auf die Landschaft des Elbsandsteingebirges mit den berühmten Tafelbergen. Über einen Aufzug ist das Plateau auch für Rollstuhlfahrer leicht zu erreichen.

Die barrierefrei zugängliche Dauerausstellung „In lapide regis – Auf dem Stein des Königs“ im Torhaus lädt zu einer Tour durch die lange Geschichte der Anlage von der böhmischen Grenzburg über das Staatsgefängnis bis zur Gründung des Museums ein. Auch weitere Ausstellungen, wie das Kommandantenhaus oder das Schatzhaus sind barrierefrei.

Für Rollstuhlfahrer hat die Festung einen speziellen Rundgangsplan mit barrierefreien Wegen entwickelt. Dennoch ist eine Begleitperson angeraten, da es auf der historischen Anlage auch unebene Wege und leichte Steigungen gibt. Sehbehinderte und blinde Menschen können sich mit Hilfe eines Tastmodells mit Erklärungen in Braille- und Prismenschrift einen Überblick über das fast neun Hektar große Areal verschaffen. Ein Audioguide führt sie individuell über das Gelände und durch die Dauerausstellung. Auf Anfrage gestaltet die Festung für Menschen mit besonderen Bedürfnissen die Gruppenführung „Festung zum Anfassen“.


Schloss Rheinsberg und Museum Neuruppin im Ruppiner Seenland

Schloss Rheinsberg liegt malerisch am Grienericksee.

Schloss Rheinsberg liegt malerisch am Grienericksee. © TV Ruppiner-Seenland e.V.

Im Ruppiner Seenland, nördlich von Berlin, lohnt ein Stopp im Schloss Rheinsberg, malerisch am Grienericksee gelegen. Literarische Berühmtheit erlangte es durch Theodor Fontane, der es in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ beschreibt. Das als Vorbild für Schloss Sanssouci geltende Bauwerk wurde maßgeblich von Kronprinz Friedrich geprägt, der hier die wohl glücklichste Zeit seines Lebens verbrachte. Es entführt Besucher ins 18. Jahrhundert, originale Raumdekorationen konnten durch Restaurierungen zurückgewonnen werden. Die Ausstellungsräume sind für Rollstuhlfahrer zugänglich. Ein Audioguide lässt auch Menschen mit Sehbehinderungen in die Wohnkultur von damals eintauchen. Auf Anfrage ermöglichen Mitarbeiter Führungen für Gäste mit Mobilitätseinschränkungen, Sehbehinderungen und Lernschwierigkeiten.

30 Kilometer weiter südlich von Schloss Rheinsberg liegt Neuruppin, der Geburtsort von Theodor Fontane. Das Museum Neuruppin widmet sich in der Dauerausstellung seinem berühmtesten Sohn. 20 Hörstationen geben einen Einblick in seine Gedanken und Eindrücke. Darüber hinaus taucht anlässlich seines 200. Geburtstages die Sonderausstellung „fontane.200/Autor“ in die Schreib- und Textwelten des Autors ein. Sie ist noch bis 30. Dezember geöffnet. Rampen und ein Aufzug ermöglichen Rollstuhlfahrern den Zugang zu den Ausstellungen. Barrierefreie Führungen können vorab gebucht werden.